Duino Elegies

Duino Elegies Read Free

Book: Duino Elegies Read Free
Author: Rainer Maria Rilke
Ads: Link
es dich aber, so singe die Liebenden; lange
    noch nicht unsterblich genug ist ihr berühmtes Gefühl.
    Jene, du neidest sie fast, Verlassenen, die du
    so viel liebender fandst als die Gestillten. Beginn
    immer von neuem die nie zu erreichende Preisung;
    denk: es erhält sich der Held, selbst der Untergang war ihm
    nur ein Vorwand, zu sein: seine letzte Geburt.
    Aber die Liebenden nimmt die erschöpfte Natur
    in sich zurück, als wären nicht zweimal die Kräfte,
    dieses zu leisten. Hast du der Gaspara Stampa
    denn genügend gedacht, daß irgend ein Mädchen,
    dem der Geliebte entging, am gesteigerten Beispiel
    dieser Liebenden fühlt: daß ich würde wie sie?
    Sollen nicht endlich uns diese ältesten Schmerzen
    fruchtbarer werden? Ist es nicht Zeit, daß wir liebend
    uns vom Geliebten befrein und es bebend bestehn:
    wie der Pfeil die Sehne besteht, um gesammelt im Absprung
    mehr zu sein als er selbst. Denn Bleiben ist nirgends.
    Stimmen, Stimmen. Höre, mein Herz, wie sonst nur
    Heilige hörten: daß sie der riesige Ruf
    aufhob vom Boden; sie aber knieten,
    Unmögliche, weiter und achtetens nicht:
    So waren sie hörend. Nicht, daß du Gottes ertrügest
    die Stimme, bei weitem. Aber das Wehende höre,
    die ununterbrochene Nachricht, die aus Stille sich bildet.
    Es rauscht jetzt von jenen jungen Toten zu dir.
    Wo immer du eintratst, redete nicht in Kirchen
    zu Rom und Neapel ruhig ihr Schicksal dich an?
    Oder es trug eine Inschrift sich erhaben dir auf,
    wie neulich die Tafel in Santa Maria Formosa.
    Was sie mir wollen? leise soll ich des Unrechts
    Anschein abtun, der ihrer Geister
    reine Bewegung manchmal ein wenig behindert.
    Freilich ist es seltsam, die Erde nicht mehr zu bewohnen,
    kaum erlernte Gebräuche nicht mehr zu üben,
    Rosen, und andern eigens versprechenden Dingen
    nicht die Bedeutung menschlicher Zukunft zu geben;
    das, was man war in unendlich ängstlichen Händen,
    nicht mehr zu sein, und selbst den eigenen Namen
    wegzulassen wie ein zerbrochenes Spielzeug.
    Seltsam, die Wünsche nicht weiterzuwünschen. Seltsam,
    alles, was sich bezog, so lose im Raume
    flattern zu sehen. Und das Totsein ist mühsam
    und voller Nachholn, daß man allmählich ein wenig
    Ewigkeit spürt.—Aber Lebendige machen
    alle den Fehler, daß sie zu stark unterscheiden.
    Engel (sagt man) wüßten oft nicht, ob sie unter
    Lebenden gehn oder Toten. Die ewige Strömung
    reißt durch beide Bereiche alle Alter
    immer mit sich und übertönt sie in beiden.
    Schließlich brauchen sie uns nicht mehr, die Früheentrückten,
    man entwöhnt sich des Irdischen sanft, wie man den Brüsten
    milde der Mutter entwächst. Aber wir, die so große
    Geheimnisse brauchen, denen aus Trauer so oft
    seliger Fortschritt entspringt—: könnten wir sein ohne sie?
    Ist die Sage umsonst, daß einst in der Klage um Linos
    wagende erste Musik dürre Erstarrung durchdrang;
    daß erst im erschrockenen Raum, dem ein beinah göttlicher Jüngling
    plötzlich für immer enttrat, das Leere in jene
    Schwingung geriet, die uns jetzt hinreißt und tröstet und hilft.

THE FIRST ELEGY
    Who, if I cried out, would hear me among the angelic
    orders? And even if one of them pressed me
    suddenly to his heart: I’d be consumed
    in his stronger existence. For beauty is nothing
    but the beginning of terror, which we can just barely endure,
    and we stand in awe of it as it coolly disdains
    to destroy us. Every angel is terrifying.
    Â Â Â Â Â Â And so I check myself and swallow the luring call
    of dark sobs. Alas, whom can we turn to
    in our need? Not angels, not humans,
    and the sly animals see at once
    how little at home we are
    in the interpreted world. That leaves us
    some tree on a hillside, on which our eyes fasten
    day after day; leaves us yesterday’s street
    and the coddled loyalty of an old habit
    that liked it here, stayed on, and never

Similar Books

Blue Dream

Xavier Neal

Newport: A Novel

Jill Morrow

A Play of Isaac

Margaret Frazer

Agrippa's Daughter

Howard Fast

Case File 13 #3

J. Scott Savage

A Christmas Memory

Truman Capote